24.06.2024
Inskriptionen zwischen „Fliegendem Weiß“ und geschwärztem „Familienstammbaum“: chinesische Pinsel-und-Tusche Kunst als somästhetische Selbstpraxis und Kulturtechnik

Datum: 24. Juni 2024, 18:00 Uhr c.t.
Ort: Hauptgebäude der Universität Bonn, Am Hof 1, HS III, 53113 Bonn
Referentin: Dr. Shao-Lan Hertel, Direktorin des Museums für Ostasiatische Kunst Köln

 

Inskriptionen zwischen „Fliegendem Weiß“ und geschwärztem „Familienstammbaum“: chinesische Pinsel-und-Tusche Kunst als somästhetische Selbstpraxis und Kulturtechnik

 

Der Vortrag befasst sich mit den kulturspezifischen schrift- und bildkünstlerischen Gattungen der chinesischen Pinsel-und-Tusche Kunst in historischen wie zeitgenössischen Kontexten. Unter besonderer Berücksichtigung der somästhetischen Dimension ihrer Kunstformen werden verschiedene Themenkomplexe, u.a. physiologischer, charakterologischer, philosophischer und kosmologischer Natur, beleuchtet. Damit einher gehen gesamtgesellschaftliche Aspekte der kreativen kulturellen Reproduktion und ebenso koerzitiven Instrumentalisierung durch den machtpolitischen Körper. Die somästhetische Perspektive vertieft hierbei den Blick auf die Pinsel-und-Tusche Kunst in ihren Kapazitäten und Funktionen als „embodied art“: als ethisch normative, vielmehr meliorative Selbstpraxis und (re)produktive Kulturtechnik; bzw. integraler Bestandteil komplexer, akkumulierter Wissens- und Erfahrungssysteme, welche die Strukturen des Menschseins, auch im Sinne seiner Körpergrenzen, kontinuierlich imprägnieren, texturieren – individuell wie kollektiv. Abschließend adressiert der Vortrag Forschungsdesiderate im wissenschaftlichen Diskurs, die ein umfassenderes, transdisziplinäres Bild der chinesischen Pinsel-und-Tusche Kunst eröffnen. Insbesondere hervorgehoben werden gendersensible Betrachtungen, die als bislang rare, dafür umso wertvollere Ansätze zu einem kritischen Verständnis femininer und feministischer bzw. marginalisierter Kunstgeschichten in der Vormoderne, Moderne und Gegenwart beitragen.

 

Tao Aimin Nvshu 2019

 

Tao Aimin (1974 geb.), Nvshu: Mother and Daughter (Nüshu: Mu nü), China, Volksrepublik (1949–), 2019, Kalligrafie in „Frauenschrift“ (nüshu), Set von 12 Hängerollen (Detail), Tusche auf Papier, 180 x 45 cm jede Hängerolle, INKstudio, Peking. Bildquelle: https://www.inkstudio.com.cn/exhibitions/35/works/artworks-3605-tao-aimin-nv-shu-mother-and-daughter-2019/ (29.05.2024)

 

Shao-Lan Hertel studierte in Berlin, Paris, Peking und Hangzhou Sinologie und Ostasiatische Kunstgeschichte (OAKG). Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin des OAKG-Lehrstuhls am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin (FUB, 2012–18) und wurde 2017 mit einer Dissertation zum kalligrafischen Schaffen des modernen chinesischen Künstlers Huang Binhong (1865–1955) promoviert. Sie absolvierte ein Postdoktorandenprogramm (2018–20) an der Kunstakademie der Tsinghua Universität, Peking, war zeitgleich bis 2023 als wissenschaftliche und kuratorische Mitarbeiterin in der Sammlungsabteilung des Tsinghua University Art Museum tätig, wo sie u. a. eine Inventarisierung der Kalligrafiesammlung vornahm. Aus ihren Forschungen zu den über 300 Sammlungsstücken ging die postdoktorale Dissertation „Between Zheng Fu (1622–93) and Zhang Ding (1917–2010): 300 Years of Seal- and Clerical-Script Calligraphy in the TAM Collection“ hervor. Mit ihrem Forschungsschwerpunkt auf Gebieten der spätkaiserlichen und modernen chinesischen Schrift- und Tuschekunst wurde sie 2005/06 und 2010/11 als DAAD-Vollstipendiatin mit Studienaufenthalten in der V.R. China gefördert; als Vollstipendiatin im Promotionsprogramm History and Cultural Studies (2009–12) der Dahlem Research School, FUB; sowie 2020/21 als J. S. Lee Memorial Fellow der Bei Shan Tang Foundation. Im SoSe 2021 vertrat sie als Gastprofessorin den OAKG-Lehrstuhl der FUB. Seit Juli 2023 ist sie Direktorin des Museums für Ostasiatische Kunst in Köln.

 


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