01.07.2024
Vortrag: Albert Ehrensteins „Räuber und Soldaten“ – Gedanken zur Übersetzung als Aneignung

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01.07.2024
Vortrag: Albert Ehrensteins „Räuber und Soldaten“ – Gedanken zur Übersetzung als Aneignung

Am 1. Juli 2024 hielt Eva Schestag (Frankfurt a.M.) im Rahmen des Bonner Sinologischen Kolloquiums einen Vortrag über den Roman Die Räuber vom Liang Schan Moor, einem der vier großen Romane aus dem klassischen China. Dieser wurde nacherzählt und verdichtet von einem der wichtigsten Vertreter des literarischen Expressionismus: Albert Ehrenstein. Enttäuscht über das Scheitern der Novemberrevolution wandte sich der pazifistisch-anarchistisch gesinnte Dichter Ehrenstein zunächst hoffnungsvoll den chinesischen Lyrikern zu, in deren Stimmen für ihn nicht etwa „Pfirsichblütenduft“, sondern Auflehnung gegen Unterdrückung sowie Rebellion gegen die ausbeuterische Obrigkeit schwang. China war für ihn weniger eine Flucht aus „Barbaropa“ als ein literarisches Exil.

Anfang der 1920er Jahre kursierten in einschlägigen deutschsprachigen Zeitschriften und Anthologien einzelne Kapitel aus einem der vier klassischen Romane Chinas, Die Räuber vom Liang Schan Moor. Für Ehrenstein waren dessen Helden und Heldinnen „Edelräuber, ein wahres Kohlhaasenrudel – das sich im Protest gegen bestechliche Beamte und verderbte Gewalthaber zur Feme, Selbsthilfe und herzhaften Volksjustiz zusammenschließt.“

Die bewusst vereinfachte und rohe Nach- und Umdichtung dieses großen Romans beschränkt sich auf einen Strang der ursprünglichen Erzählung, die Geschichte um den Tigertöter Wu Sung, einen ungeschliffenen, aber durch und durch ehrlichen Mann, der sich sein Faustrecht nimmt, um Gerechtigkeit zu schaffen, wo er Unrecht sieht. Mit welchem Recht, fragte Schestag in ihrem Vortrag, nimmt nun Ehrenstein derart drastische Eingriffe an seinen literarischen Vorlagen vor?